„Ein gemeinsamer Wertekanon und ´America First´ sind nicht miteinander vereinbar“

Am Mittwoch, den 30. Januar 2019, hatte die Außen- und Sicherheitspolitische Hochschulgruppe Heidelberg (ASH) und das Heidelberg Center for American Studies (HCA) zu einer Podiumsdiskussion zum Stand der transatlantischen Partnerschaft nach zwei Jahren Trump-Administration eingeladen. Auf dem Podium nahmen Andrea Rotter (Hanns-Seidel-Stiftung), Dr. David Sirakov (Atlantische Akademie Rheinland-Pfalz), sowie Dr. Florian Böller und Dr. Martin Thunert (jeweils HCA) teil. Im Rahmen von vier Panels wurden u.a. die Rolle der NATO und das Iran-Abkommen diskutiert.

„America First“ gelte auch in der amerikanischen Außenpolitik, meint Dr. Florian Böller. Für Trump sei die NATO keine Werteallianz, sondern solle in einem Nullsummenspiel ausschließlich amerikanischen Interessen dienen. (© ASH Heidelberg)

Bereits zum dritten Mal fand im Atrium des Curt und Heidemarie Engelhorn Palais eine Kooperationsveranstaltung der ASH Heidelberg und des Heidelberg Center for American Studies statt. (© ASH Heidelberg)

Auf dem Podium (v.l.n.r.): Dr. Florian Böller (HCA), Andrea Rotter (Hanns-Seidel-Stiftung), Dr. David Sirakov (Atlantische Akademie Rheinland-Pfalz) und Dr. Martin Thunert (HCA, Moderation). (© ASH Heidelberg)

Auf die Frage der Vereinbarkeit eines multilateralen Bündnisses wie der NATO und der „America First“-Politik der Trump-Regierung wies Dr. Florian Böller (HCA) darauf hin, dass hierbei zwei grundlegend unterschiedliche Bündnisvorstellungen aufeinanderträfen. Für Trump sei die NATO keine Werteallianz, sondern solle in einem Nullsummenspiel ausschließlich amerikanischen Interessen dienen. Allerdings sei dies im Kern kein neues Phänomen. Auch unter vorherigen Präsidenten habe es schon Streitigkeiten über den Wertekanon der NATO gegeben, etwa im Fall der Irak-Invasion 2003.

 

Die von der Europäischen Union im November und Dezember 2017 aus der Taufe gehobene Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) als Antwort Europas auf den „Zwei-Prozent-Streit“ sieht Andrea Rotter (Hanns-Seidel-Stiftung) zwiespältig. Zwar habe man in Europa verstanden, dass man selbstständiger in Verteidigungsfragen werden müsse und sich auch in der EU-Global Strategy von 2016 das Ziel einer „strategischen Autonomie“ gesetzt. Doch bestünde unter den EU-Mitgliedstaaten keine einheitliche Vorstellung, wie die Autonomie konkret ausgestaltet werden solle. Zudem sei Europa nach wie vor sicherheitspolitisch stark abhängig von den USA. Dr. David Sirakov betonte in diesem Zusammenhang, dass hinsichtlich der Verteidigungshaushalte auch nationale Egoismen eine wichtige Rolle spielten.

 

Mit Blick auf den INF-Vertrag, der das Verbot von landgestützten nuklearen Mittelstreckenraketen vorsieht, stellten die PanelistInnen fest, dass hierbei im Kongress eine breite Unterstützung für den Präsidenten bestehe. Dass Russland gegen diesen Vertrag verstoße, sei in den USA und der NATO Konsens. Da vor allem Europa von einer Stationierung von Mittelstreckenraketen betroffen sei, sei eine klare Stellung der Europäer notwendig, die bisher aber fehle.  Auch wenn dieser Vertrag nicht mehr zeitgemäß sei, da er Staaten wie China oder auch Indien nicht einbeziehe, so bilde er aber eine Grundlage für diplomatische Gespräche zwischen den USA und Russland, so Dr. Sirakov.

 

Das zweite Panel widmete sich thematisch dem Austritt der USA aus dem Nuklearabkommen mit dem Iran. Problematisch sei, dass die USA europäische Firmen unter Druck setzten, keine Geschäfte mehr mit dem Iran zu machen. Die PanelteilnehmerInnen diskutierten dabei ausführlich die Rolle eines wirtschaftlichen Tauschsystems, das den Europäern ermöglichen könnte, sich den US-Sanktionen zu entziehen. Dieses System sei aber eher symbolischer Natur, denn es umfasse beispielsweise nicht das für den Iran so wichtige Öl-Geschäft, so Rotter. Sie mahnte zudem strukturelle Defizite an.

 

Im Rahmen des dritten Panels zu den deutsch-amerikanischen Beziehungen zeigten sich die Teilnehmenden besorgt, etwa von vielen unbesetzten Stellen im amerikanischen State Department. Dies belaste die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA. Auch die Besetzung wichtiger Posten in den Auslandsvertretungen mit loyalen Trump-Anhängern gestalte das Verhältnis komplizierter. Die aktive Einflussnahme US-amerikanischer Top-Diplomaten, etwa in der Öffentlichkeitsarbeit hinsichtlich dreier amerikanischer Hauptinteressen, wie das Zwei-Prozent-Ziel, den Iran und Nord Stream 2, sei ein Novum.

 

Auf die Frage einer Prognose hinsichtlich der trump´schen Politik in den nächsten zwei oder sogar sechs Jahren stellte Dr. Sirakov fest, dass aufgrund der angespannten Mehrheitsverhältnisse im Kongress innenpolitische Projekte für Trump schwierig werden würden und er sich möglicherweise vermehrt der Außenpolitik zuwenden werde. Trump könne konfliktiver agieren, um von innenpolitischen Problemen abzulenken.

 

Die Trump-Präsidentschaft habe schlussendlich aber auch positive Effekte auf Deutschland gehabt, so Sirakov. Seit dem Amtsantritt Trumps finde eine stärkere Debatte in der deutschen Öffentlichkeit statt, etwa über eine stärkere Rolle in der Weltpolitik und die Notwendigkeit von höheren Militärausgaben.

 

Des Weiteren hätte auch die extreme Polarisierung in den USA einen Vorteil, denn es gäbe keine stabilen Mehrheiten für den Präsidenten mehr. Er sei nun zunehmend darauf angewiesen, mittels exekutiver Verordnungen zu regieren, die im Falle eines möglichen Regierungswechsels 2020 wieder aufgehoben werden könnten.